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Karen


Karen ist sicherlich die Frau, die am kontinuierlichsten als Redakteurin tätig war. Seit 1926 war sie verantwortlich für die Blätter des DFV (Deutscher Freundschaftsverband) . Zuerst für die Frauenliebe, dann ab der 1. Ausgabe 1928 in der Frauen, Liebe und Leben und bis 1932 für die Garçonne hatte Karen die Hauptschriftleitung inne. Diese Arbeit war vermutlich ehrenamtlich.1


In ihrem „kleinen moralischen Traktat“ aus dem Jahr 1928 entpuppt sich Karen als Vertreterin einer Gruppe, die im Umgang mit der Darstellung von Sexualität und Begehren um Vorsicht bemüht war.2 Nicht zuletzt zeichnet sie diese Haltung auch als Hauptschriftleiterin aus. In der Debatte um „Die Treue der maskulinen und der femininen Frau“3, die in der Garçonne 1931 geführt wurde, setzte Karen in radikaler Weise „männlich” mit homosexuell gleich. Sie unterschied nicht in feminine und maskuline Frauen, sondern in mehr maskuline und weniger maskuline Frauen. Mit der Wahl der Formulierung „weniger maskulin” verdeutlicht sie, dass „feminine” Frauen im homosexuellen Kontext maskuline Anteile haben müssen, da sich ihr Begehren auf Frauen richtet. Dadurch gelang es ihr, sich von dem Begriff „feminin“ zu lösen und damit das Bild von Homosexualität, das in Verbindung mit Virilität entstand, auch für „feminine” homosexuelle Frauen zu nutzen. Eine Position, die auch in die Argumentation des DFV passte. Für Karen war es wahrscheinlich, dass die „weniger maskuline” Frau „die größere geistige Beweglichkeit“ hat.4


In dem Bericht über einen Autorenabend im „Dorian Gray“ wird Karin in folgender Weise beschrieben: „Karen, deren imponierende Gestalt und kluger Kopf eine würdige Vertreterin unserer Zeitschriften kennzeichnet, sehr sympathisch, stimmlich, wie auch in der Erteilung gewisser Rügen.“5 Karen verfasste neben Sachartikeln auch literarische Beiträge für die Zeitschriften. Auf dem eben bereits erwähnten Autorenabend las sie aus einem Werk, das leider nicht mehr aufzufinden ist. Ikarus bemerkte hierzu: „Dann noch eine eigene Arbeit ,Tempo der Zeit‘. Dieses bereits anderweitig erworbene Manuskript ist wert, dass man unumwunden seine Hochachtung ausspricht, denn es zeugt von schwunghaftem Geist und geradezu erzieherischer Arbeit. Die fast spielend hingeworfenen Worte gewähren einen Einblick in die eigentliche Fähigkeit der Redakteurin. (...) Karen verbindet Aktuelles mit fast futuristischer Voraussage.“6 Bei der Sappho-Gedenkfeier 1931 trat Karen auf, und eine Autorin berichtet: „Frau Karen sollte weit häufiger an der gleichen Stelle stehen. Sie besitzt als Führerin innerhalb der Bewegung, als geistig prächtig disziplinierter Mensch eine willige Gemeinde, die voll Entschiedenheit mit ihr geht.“7


Bei Betrachtung ihrer Sachartikel und Geleitworte liegt die Vermutung nahe, dass Karen ein eher femininer Typ war. Da von Karen leider keine Abbildung existiert, kann dieser Eindruck nicht untermauert werden. Das Fehlen von Bildmaterial ist ebenso irritierend wie das Fehlen des Nachnamens, vor allem weil Karen über einen verhältnismäßig langen Zeitraum in exponierter Stellung tätig war.




Heike Schader (2004)



Aus: Schader, Heike: Virile, Vamps und wilde Veilchen. Sexualität, Begehren und Erotik in den Zeitschriften homosexueller Frauen im Berlin der 1920er Jahre. Königstein/Ts.: Ulrike Helmer Verlag 2004, S. 78f.





1 Petra Schlierkamp, Die Garçonne. S. 170.


2 Karen: An Alle. Ein kleines moralisches Traktat. Frauenliebe 1928, Nr. 4.


3 Karen: Zum Artikel: Die Treue der maskulinen und die der femininen Frau. Garçonne 1931, Nr. 17.


4 Ebd..


5 Ikarus: Rundschau. Autorenabend im Dorian Gray. Garçonne 1930, Nr. 5.


6 Ebd..


7 D.: Sappho-Gedenkfeier. Garçonne 1931, Nr. 17.