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Emilie Knopf – Autorin des ersten bislang bekannte deutschsprachigen Lesbenroman


Das Buch "Der Liebe Lust und Leid der Frau zur Frau" (157 S.) erschien ohne Jahresangabe und anonym. In dem einzigen mir bekannten Exemplar in der Staatsbibliothek zu Berlin (Signatur: Yx 27911) ist der ursprüngliche Verlag schwarz überdruckt und darüber gestempelt: "Verlagsbureau für literarische Neuheiten, Stargard i. Pomm." Dieser Verlag ist sonst nicht nachweisbar. Handschriftlich ist in dem Exemplar die Jahresangabe "1895" hinzugefügt. Diese Angabe wurde im Gesamtverzeichnis des deutschsprachigen Schrifttums übernommen, wo die Jahreszahl 1895 in eckige Klammern gesetzt ist. Als Verfasserin wird hier EMILIE KNOPF genannt.

Dass es sich bei Emilie Knopf um eine reale Person handelt, geht aus einem Zeitungsartikel der "Täglichen Rundschau" vom 19. März 1898 hervor, der in das Exemplar der Staatsbibliothek eingeklebt ist. Danach versuchte eine Witwe Marie von Czarwinski das Buch dem Oberbibliothekar Söchting in Berlin zu verkaufen. Dieser gab das Buch an die Staatsanwaltschaft weiter und beide Frauen, die Autorin Emilie Knopf und Marie von Czarwinski, wurden vor Gericht gestellt. Es wird erwähnt, dass Knopf bereits im Herbst 1897 wegen Verbreitung unzüchtiger Schriften zu einer Geldstrafe von 50 Mark verurteilt worden sei. Die Angeklagten gaben vor Gericht an, dass sie sich in großer Not befunden und keine Mittel gehabt hätten, ihren Hunger zu stillen. Czarwinski sagte aus, nichts vom Inhalt des Buches, den der Vorsitzende als "Schweinerei" bezeichnete, gewusst zu haben; dies wurde ihr aber nicht abgenommen. Die Not der beiden Frauen wurde zum Anlass genommen, sie zu niedrigen Strafen – Knopf zu 20 Mark und Czarwinski zu 5 Mark Geldstrafe – zu verurteilen.

Mehr ist über die Autorin einstweilen nicht in Erfahrung zu bringen. Durch die Berliner Adressbücher jener Zeit geistert eine E. Knopf, geb. Frerichs, Witwe, mit unterschiedlichen Wohnadressen. Doch es ist mehr als fraglich, ob es sich dabei um Emilie Knopf handeln könnte. Czarwinskis gibt es in dieser Zeit gar nicht. Wenn die beiden Frauen wirklich arm waren, dürften sie zur Untermiete gewohnt haben und tauchen dann in den Adressbüchern nicht auf.

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© Jens Dobler (Berlin 2006/aktualisiert 2014)